5. Juli 2010 | Druckansicht

Themenblock: »Praxis«

Referent_in: Stephan B. Antczack

Tag: Freitag, 27.8.2010

Beginn: 17:00 Uhr

Dauer: 2 Std.

Raum: L 113

… als Praxis subjektwissenschaftlicher Theorie

Der brasilianische Theatermacher Augusto Boal, der in New Yorck Theaterwissenschaften studiert hatte und am heimischen „Teatro di Arena“ in Sao Paulo Brecht und andere aufklärerische Autor/innen inszenierte, musste nach Inhaftierung und Folterung 1971 Brasilien verlassen. Im Exil entstanden unterschiedliche Theatermethoden, die darauf abzielten, eine revolutionäre, gesellschaftliche Veränderung zu bewirken. Nach einer längeren Zusammenarbeit mit dem Befreiungstheologen Paulo Freire, der in Peru mit seiner „Pädagogik der Unterdrückten“ dafür sorgte, daß sich Landarbeiter/innen selbstorganisiert alphabetisierten, nannte Boal seine Form des Theaters, bei der die Zuschauer/innen zunehmend selbst zum Subjekt des des Geschehens auf der Bühne wurden: „Theater der Unterdrückten“.

Beim Forumtheater werden gesellschaftliche Konflikte gezeigt und das Publikum wird eingeladen die Position des Protagonisten zu ersetzen, um so Handlungsalternativen zu erproben. Je länger Boal um den Erdball reiste, v.a. während seiner Zeit im europäischen Exil (Lissabon und Paris) zwischen 1976 und 1986 spürte er den subtileren Formen von Unterdrückung nach und entwickelte ästhetische Ausdrucksmöglichkeiten, die das Subjekt zum Ausgangspunkt gesellschaftlich revolutionärer Entwicklung machte. Die entwickelten Werkzeuge verschriftlichte er nach einer Vortragseinladung der „International Association of Group Psychotherapy and Group Processes“ anlässlich des 100. Geburtstages von Jakob Levy Moreno in Amsterdam. Sie sind unter dem Titel „Regenbogen der Wünsche“ zusammengefasst. Einige der Verfahren und Übungen daraus würde ich euch gerne vorstellen (z.B. den „Polizisten im Kopf“) und praktisch erproben.

In Brasilien wird das Theater u.a. zur Entwicklung von Anti-Diskriminierungsgesetzen genutzt und in Indien ist das „Theater der Unterdrückten“ unter dem Namen „Jana Sanskriti“ eine Massenerscheinung, die zehntausende Landarbeiter/innen ästhetisch und politsch bewegt.