Prekarisierung, Psyche und Perspektiven erweiterter Handlungsfähigkeit
Von Mario Candeias
1. Die neue ›Normalität‹
Seit kurzem ist ›das Prekariat‹ endlich auch in Politik und Medien angekommen. Nachdem es lange nur ein unsichtbares Schattendasein als ›Nicht-Klasse an sich‹ geführt hat, von sich selbst nichts zu wissen schien, nur in linken Diskursen herum geisterte und hier und da in den französischen Vorstädten auftauchte, ist es nun ans Licht gezerrt worden. Das Prekariat, das sind die ›Abgehängten‹, das ist die ›Unterschicht‹, derer man sich annehmen muss, meint der wohlmeinende Sozialdemokrat. Der weniger Wohlmeinende will davon nichts wissen, eine Unterschicht gebe es nicht und Klassenunterschiede, die gibt es nur bei PISA.
Genutzt hat das Abwiegeln wenig. Es lässt sich nicht mehr verdrängen, dass es so etwas wie ein ›Unten‹ in der Gesellschaft gibt, wo sich Prekarität ausbreitet. ›Prekär‹ bedeutet im Lateinischen ›unsicher‹, aber auch ›aus Gnade gewährt‹ – und so fühlt es sich auch an: Wer keinen Job hat erlebt, wie ein soziales Recht auf ein garantiertes Existenzminimum im Rahmen von Hartz IV und Workfare zu einer wohltätigen, paternalistischen Gewährung von Hilfe umdefiniert wird, die an Wohlverhalten und zu erfüllende Pflichten gebunden wird. Wer einen Job hat, muss dankbar sein, überhaupt einen zu haben, auch wenn das Einkommen kaum zum Leben ausreicht.
Doch prekär meint nicht nur Arbeits- und Lebensverhältnisse ohne existenzsicherndes Einkommen. Es geht auch um die mangelnde Anerkennung der Arbeit und der Person, um betriebliche und soziale Isolierung, die Zerstörung von Sozialkontakten, mangelnden Sozialversicherungsschutz und fehlende Qualifizierungsmöglichkeiten. Besonders schmerzlich ist die längerfristige Planungsunsicherheit für den eigenen Lebensentwurf, die z.B. die Familiengründung erschwert. Bei Migranten wirkt die Illegalisierung als zusätzliche Entrechtung. Insgesamt bewirkt dies jeweils spezifische Störungen des psycho-physischen Gleichgewichts und damit der individuellen wie auch kollektiven Handlungsfähigkeit.
Zugegebenermaßen ein Sammelsurium an Dimensionen, aber genau an der unterschiedlichen Kombination dieser Dimensionen, die alle treffen, aber in unterschiedlicher Weise, zeigt sich die Vielfältigkeit von Prekarisierungsprozessen, die je nach Klassenzugehörigkeit, geschlechtlichen, ethnisch, nationalen oder anderen Zuschreibungen, ganz unterschiedlich ausfallen und verschieden bearbeitet werden. Jeder spürt den Druck der Prekarisierung, viele wissen von der Möglichkeit, dass es sie treffen kann – dieses Wissen wird aber noch lange nicht zu einem Verständnis einer allgemeinen, gemeinsamen Lage.
Prekarisierung ist längst kein Problem einiger weniger mehr. Es betrifft illegalisierte migrantische Putzfrauen, Sicherheitskräfte mit weniger als 4 € Stundenlohn, die befristete Kassiererin bei Lidl, wie den gut ausgebildeten ostdeutschen Leiharbeiter im Ruhrgebiet, oder den (schein)selbständigen Fernfahrer. Aber es betrifft eben auch die (zwangs)mobilen Kurzzeit-Projektarbeiter in der IT-Industrie, freie Journalistinnen, solo-selbständige Kulturschaffende oder Masseure, befristet beschäftigte Sozialarbeiterinnen und Wissenschaftler, die Bibliothekarin mit 1-€-Job oder das Computer-Proletariat in den Call-Centern: Formen der Flexploitation, der flexiblen Ausbeutung im neoliberalen Kapitalismus. Der Unsicherheit unterworfen sind auch die Karrieren schlecht oder nicht bezahlter Praktika, Hartz IV-Empfänger und natürlich alle jene, die schon immer prekär leben mussten, Sozialhilfeempfänger, nicht anerkannte Fluchtmigranten, Obdachlose.
Die von Neugebauer (2007) im Umfeld der Friedrich-Ebert-Stiftung verwendete Zusammensetzung „abgehängtes‘ Prekariat“, führt daher in die irre: zum einen, weil es bei Prekarität gerade um brüchig gewordene soziale Verhältnisse und besondere Formen der – eben prekären – Integration in eine neoliberale Ökonomie geht, nicht um das Abhängen oder Kappen von Beziehungen; zum anderen wirkt die Einschränkung des Phänomens auf eine vielleicht wachsende, aber doch insgesamt kleine Gruppe – der sog. Unterschicht – politisch als Entdramatisierung der sich zuspitzenden sozialen Frage. Tatsächlich erleben wir jedoch die Verbreitung einer allgemeinen gesellschaftlichen Kultur der Unsicherheit.
In Deutschland bspw. arbeiten über 36% der Erwerbstätigen zu Bedingungen des Niedriglohnes (mit weniger als zwei Drittel des Durchschnittseinkommens), davon gehören über 7 Mio. zu den lohnarbeitenden Armen, den working poor, die weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens erhalten – die Hälfte davon ist vollerwerbstätig. Der Anteil ›regulärer‹ Beschäftigungsformen ist von ehemals über 80% (Mitte der 1970er Jahre) auf weniger als 63% zurück gegangen, große Bereiche des Niedriglohnes noch nicht eingerechnet, weil sie formal oft der unbefristeten Vollbeschäftigung entsprechen, nur dass man davon eben nicht leben kann. Die Ausbreitung informeller Aktivitäten ohne reguläres Beschäftigungsverhältnis und die Realität jenseits vereinbarter Verträge entziehen sich ohnehin den herkömmlichen statistischen Methoden. Zudem werden bei uns schon jetzt über zwei Drittel aller Jobs nur noch befristet vergeben, in Großbritannien oder Spanien bereits zu 90% (Candeias 2004a). Entsprechend verlaufen drei Viertel der Erwerbsverläufe in Deutschland diskontinuierlich, also wechselnd zwischen Arbeit, Phasen der Arbeitslosigkeit, befristeter Beschäftigung, arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, prekärer Selbstständigkeit, Sozialhilfe, Arbeit etc. In einigen Branchen dominieren die prekären Verhältnisse: Arbeit auf Honorarbasis jenseits des Arbeitsrechts wurde in der Architektur zur Normalität, in der Erwachsenenbildung wird der Anteil der abhängig Selbstständigen an allen Beschäftigten auf 90 % geschätzt, im Einzelhandel sind mehr als zwei Drittel der Frauen geringfügig beschäftigt, Callcenterbetriebe arbeiten mehrheitlich mit Befristeten und im Kultur- und Mediensektor haben die Solo-Selbständigen und freien Mitarbeiter die Festangestellten quantitativ überholt. Zugespitzt könnte man also sagen, das neue Normalarbeitsverhältnis sind die prekären Beschäftigungsverhältnisse.
2. Psychische Folgen
Entsprechend haben sich die arbeitsbedingten psychischen und psychosomatischen Erkrankungen in den letzten Jahren vervielfacht (laut BKK um 400%; vgl. www.pargema.de). Bei den Krankmeldungen belegen sie mittlerweile einen Spitzenplatz. Natürlich auch weil die Diagnostik verbessert wurde und die Akzeptanz psychischer Erkrankungen in der Gesellschaft gestiegen ist – dies erklärt jedoch nicht den dramatischen Anstieg und wird auch durch qualitative empirische Untersuchung nicht gedeckt.
Selbstwertgefühl und Anerkennung sind für den allergrößten Teil der Beschäftigten von der Arbeit abhängig. Zugleich jedoch fühlen sich über 48% der Befragten einer DGB-Studie von 2007 nach der Arbeit ausgebrannt, 41 % so stark, dass sie über Erholungsdefizite klagen, für Dinge außerhalb der Arbeit nicht mehr die nötige Energie aufbringen und perspektivisch (30%) auch daran zweifeln, ob sie ihre Leistung in der Arbeit auf diesem Niveau werden halten können. Für 31% ist die Arbeit ein Ort andauernder Frustrationen (dgb-index-gute-arbeit.de).
Jeder dritte Beschäftigte bewertet seine Arbeitssituation negativ. Diese prekär Beschäftigten sind in der Regel hohen Belastungen ausgesetzt, haben dabei aber kaum Entwicklungsmöglichkeiten in ihrer Arbeit. Sie erhalten ein Einkommen, das weder ihren Leistungen angemessen ist noch ihren Bedürfnissen gerecht wird, und leben häufig in großer Unsicherheit über ihre berufliche Zukunft. Nahezu alle Faktoren fehlen, durch die Arbeit zu einer Quelle des Wohlbefindens der Arbeitenden selbst werden kann (DGB 2007, 12, vgl. auch Fuchs 2006).
Für weitere 54% gilt: Häufig sind den Einflussmöglichkeiten der Beschäftigten enge Grenzen gezogen, dafür sind sie etlichen belastenden körperlichen und emotionalen Anforderungen ausgesetzt. Die Arbeitsbedingungen bergen wenig Entwicklungs- und Lernförderliches, es fehlt an einem unterstützenden Führungsstil, die Einkommensbedingungen sind unzureichend, auch die Ungewissheit über ihre berufliche Zukunft belastet die Beschäftigten. Ihre Situation beschreiben sie als zweispältig (ebd.).
Beschäftigte, die ihr Einkommen als unangemessen bewerten, berichten deutlich öfter insbesondere von großen gesundheitlichen Belastungen, respektlosem Umgang, schlechter Führungsqualität und einem Mangel an Aufstiegschancen (15). Leiharbeiter empfinden ihre Situation in über zwei Dritteln der Fälle als schlecht und belastend (17).
Fast 40% der Beschäftigten im Alter von 55 und darüber halten es für wahrscheinlich, dass sie ihre derzeitige Tätigkeit nicht bis zum Rentenalter ausüben können (30). In der Gruppe der unter 25-Jährigen rechnen sogar nur 48 Prozent mit dem Erhalt ihrer Arbeitskraft bis zum Beginn des Rentenalters (31). Besonders dramatisch ist die Lage bei Zeitarbeitern und Niedriglöhnern: 60% der ersteren glauben, dass sie es nicht bis zur Rente schaffen werden; bei den Niedriglöhnerns sind es sogar nur 27%, die sich vorstellen können, unter solchen Arbeitsbedingungen bis ins Alter leben zu können (31f.). Die Hälfte aller Befragten ist darüber hinaus sicher, von den erworbenen Rentenansprüchen nicht ein Leben jenseits der Armut führen zu können (33).
Auspumpung der Arbeitskraft ist ein bekanntes Phänomen, gegen das Gewerkschaften in der Nachkriegszeit diverse Schutzmechanismen entwickelt hatten. Mit der Erosion gewerkschaftlicher Organisationsmacht und der Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen nimmt die Auspressung absoluten Mehrwerts gerade in den Bereichen des Niedriglohns wieder zu: intensivere Arbeit, bei sinkenden Reallöhnen – trotz auch in diesem Bereich steigenden Anforderungen und Qualifikationen.
Hinzu tritt nun aber ein weiteres Phänomen: Die neuen Formen der Arbeit setzen der fordistischen Zurichtung zum ›dressierten Gorilla‹ (Gramsci, Gef.7, 1499f) ein Ende; sie setzten stärker auf die Produktionsintelligenz, das informelle Erfahrungswissen, die Kreativität und selbst die Emotionalität der unmittelbaren Produzenten. Mit dieser Repositionierung des Wissens und der Subjektivität ist eine erweiterte relative Autonomie der Beschäftigten im Arbeitsprozess verbunden. Desto höher der Grad an Verwissenschaftlichung der Tätigkeiten, desto schwieriger wird es eine direkte Kontrolle über den Arbeitsprozess aufrechtzuerhalten. Der genaue Ablauf der Tätigkeiten wird nicht mehr vorgegeben, sondern den Beschäftigten weitgehend selbst überlassen; Hauptsache das vorgegebene Ziel wird erreicht. Die Einbindung des Wissens der Beschäftigten macht die Tätigkeiten generell interessanter und vielfältiger. Ihre Faszination verführt auch zum längeren Arbeiten. „Indem Arbeit intellektuelle Arbeit ist, kann sie vor den Fabriktoren und Bürotüren nicht halt machen. Die Probleme werden mit nach Hause genommen. Sie durchsetzen die Freizeit“, wollen gelöst werden. „Solche Praxen verändern das Familienleben, wenn sie allgemein werden.“ (F.Haug 1996)
Gerade im Bereich von Projektarbeitern in der Softwareprogrammierung, bei den sog. Freelancern oder den Solo-Selbständigen führt die Entgrenzung der Arbeit zu vermehrten Belastungen und zur Verbreitung des burn-out-Syndroms. Eingezwängt in fremdbestimmte, betriebliche kontrollierte Grenzen beschränkt sich die Autonomie auf einen engen Bereich des für die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens Förderlichen. Damit sind Beschäftigte gezwungen Flexibilitäts- und Effizienzanschauungen, unternehmerisches Denken in ihre eigenen Denk- und Handlungsmuster zu internalisieren. Die Ausbeutung abhängiger Arbeitskraft durch das Kapital wird durch Delegation erweiterter und zugleich eingegrenzter Spielräume auf das tätige Subjekt in Richtung ›Selbstausbeutung‹ verschoben. Sie leiden dann unter dem Druck, den sie auf sich selbst ausüben, bzw. sie internalisieren den unpersönlichen Druck des Marktes und widersprüchlicher Anforderungen in ihre eigenen Bedeutungsmuster. Der Widerspruch zwischen Autonomie der Arbeitsorganisation und Einschränkungen der Autonomie durch Umfang und Zwänge der Arbeit wird zu groß und zersetzt das psycho-physische Gleichgewicht, führt zur chronischen körperlichen und psychischen Erschöpfung und zahlreichen Erkrankungen, von Depression bis zum Magengeschwür. IT-Projektarbeiter etwa leiden laut IAT bis zu viermal häufiger unter psychosomatischen Beschwerden wie chronischer Müdigkeit, Nervosität, Schlafstörungen und Magenbeschwerden als der Durchschnitt. Stressphasen von mehr als 8 Wochen führten zu einer Zunahme chronischer Erschöpfung, bekanntlich einem Frühindikator für Burnout. Rund 40% der Befragten wiesen deutliche Anzeichen dafür auf (Latniak/Gerlmaier 2006). Ähnliche Zahlen wurden für prekäre Kulturschaffende erhoben (Eichmann u.a. 2007) Schätzungen aus dem Jahr 2006 gehen von bis zu 9 Mio. Betroffenen in Deutschland aus, die von chronischen Erschöpfungserscheinungen geplagt werden. Zerbrechen von Sozialkontakten und Rückzug sind die Folge: Die Soziale Isolation ist insgesamt der zweitstärkste Faktor (nach den finanziellen Schwierigkeiten), der sich auf die psychische Belastung auswirkt (vgl. Gallie/Paugam 2002).
Beschäftigung an sich garantiert also noch keine soziale Integration: Langfristig bergen Jobs mit ›niedriger‹ Qualifikation und schlechten Arbeitsbedingungen die Gefahr in sich, die betreffenden Arbeitskräfte anfällig für den Verlust ihres Arbeitsplatzes und für eine mögliche Ausgrenzung auf dem Arbeitsmarkt zu machen. Das gleiche gilt für dauerhafte Überlastungssituationen und entgrenzte Arbeitszeiten bei ›hoch‹ wie vermeintlich ›gering‹ Qualifizierten. Bemerkenswert ist, dass, sobald die anderen Faktoren (wie Einkommen oder soziale Netze) statistisch kontrolliert worden sind, die Arbeit an sich im Vergleich zu Arbeitslosen nicht zu einem höheren Grad an Zufriedenheit mit dem Leben oder größerem psychischem Wohlbefinden führt. Die positiven Effekte von Beschäftigung auf das psycho-physische Gleichgewicht hängen maßgeblich von der Qualität der Arbeits- und Produktionsverhältnisse ab. Sie ist ein ganz entscheidender Faktor, der Einfluss hat auf Motivation, physische und psychische Gesundheit, Gelegenheit zur Entwicklung und Erhaltung von Fähigkeiten und die Sicherheit, die für eine durchgängige Arbeits- und Lebensplanung benötigt wird (vgl. Gallie/Paugam 2002).
Wer dem Druck der Konkurrenz und der Anpassung in der Arbeitswelt nicht standhalten kann – der sich in den Alltag, in den Kreis von Familie und Bekannten, in die Freizeit, den Sport etc. fortsetzt –, hat die Möglichkeit sich über ein vielfältiges Angebot von Therapien wieder ›fit‹ machen zu lassen. Lohn und Freizeit werden zunehmend zugunsten der individuellen Leistungsfähigkeit, Beschäftigungsfähigkeit, kurz zugunsten der ökonomischen Verwertbarkeit verausgabt – immer mehr Zeit und Geld wird für Fitness, Wellness und nicht zuletzt Psychotherapie oder andere, mehr esoterische Angebote verwendet. Es herrscht geradezu ein konformistischer Druck ein Non-Konformist sein zu müssen (Barfuss 2003) – eine Art ›hochtechnologische‹ alltägliche Lebensführung, die Selbstvermarktung und persönliche Performance nötig macht, um seine Position im Kampf um die wenigen Arbeitsplätze und soziale Anerkennung zu erhalten. Auffallen und kreativ sein, aber im Rahmen des Geforderten und allgemein Akzeptierten bleiben, um den Job zu sichern oder ständig auf der Suche nach dem nächsten Job – und wenn er nur ›Mini‹ ist.
Trotz Individualisierung und Arbeitsdruck, Stress und einseitiger Flexibilisierung stellen sich diese neuen Formen der Arbeit für große Teile der Beschäftigten nicht nur negativ als Verlust von Sicherheit oder gemeinsamer (Arbeiter)Identität dar, v.a. für die jüngeren Generationen entspricht dies einer Befreiung von jahrzehntelanger, immer gleicher, monotoner Arbeit und normierten Lebensweisen, hin zu einer Vielfältigkeit von Lebensstilen und der Ausbildung von patchwork-Identitäten. Insbesondere Hochausgebildete fühlen sich ihrem eigenen Selbstverständnis nach nicht länger als Angestellte oder gar Arbeiter, sondern vielmehr als eigenverantwortlich handelnde, unternehmerische denkende selbständige Individuen, die ihre Interessen selbst vertreten können und entsprechend kollektiven Interessenvertretungen skeptisch gegenüber stehen. Nicht nur von den begehrten Spezialisten wird die damit verbundene Spannung zwischen persönlicher Autonomie und zunehmender Ungewissheit durchaus auch als Zugewinn erfahren. Erweiterte Autonomie, Requalifizierung, Kreativität und Abbau von Hierarchien, also die ›Humanisierung‹ der Arbeit, werden in die neoliberale Reorganisation und Flexibilisierung der Produktion integriert. Solange der häufige Wechsel der Position oder Stelle, auch zwischen Arbeitslosigkeit, Selbständigkeit, Beschäftigung subjektiv als Chancen wahrgenommen werden, als im-Spiel-bleiben, die Hoffnung erhalten wird, obwohl es sich in Regel nur um „mehrdeutige Seitwärtsbewegungen“ (Sennet) handelt, wird daran auch festgehalten.
Individuell betrachten viele prekäre Arbeitsverhältnisse immer noch als Sprungbrett in sichere Beschäftigung und hoffen auf eine Art Klebeeffekt, wenn die Praktikantin, der Leiharbeiter oder die 1-€-Jobberin ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte. Gegenüber diesem Traum selbst Stammarbeiter zu werden, fest angestellt, verblassen für viele die Qualität der Arbeit, der Kampf um Arbeitszeitverkürzung, Lohnsteigerungen, für gewerkschaftliche Organisierung sowieso. Gut ausgebildete Facharbeiter, oft auch Migranten, die sich ganz gut von einer befristeten Beschäftigung in die nächste hangeln, dazwischen kurze Phasen der Arbeitslosigkeit als normal empfinden, können sich zum Teil in den Verhältnissen einrichten, sichern sich einen bescheidenen Wohlstand, sofern Krankheit, Ausweisung oder anderes die ›Flexi-Karriere‹ nicht abreißen lassen. Viele gehen dabei über die Grenzen der psycho-physischen Belastbarkeit hinaus. Dann setzen die Selbstzweifel ein: ›War ich nicht gut genug? Habe ich mich nicht genug eingesetzt oder die Klappe zu weit aufgerissen?‹. Damit erleben wir auch eine Erziehung zur Anpassung und Duldung der beschädigenden Verhältnisse.
Doch die massive Ausweitung flexibilisierter, oft prekärer Teilzeit-Arbeitsverhältnisse ermöglichte für viele Frauen oder (illegalisierte) Migranten überhaupt erst die Teilhabe an der Lohnarbeit und ihrer Verbindung mit den notwendigen Reproduktionsarbeiten. Darüber hinaus sind es nicht nur die Hochqualifizierten, die das Ende des ›nine-to-five-Trotts‹ begrüßen. Die Menschen wissen, dass das alte Normalarbeitsverhältnis kaum zurück zu haben ist, viele streben auch kein ›Normalarbeitsverhältnis‹ mehr an, denn auch in den prekärsten Verhältnissen finden sich Momente erweiterter Selbstbestimmung bzw. des Selbstmanagements und von Möglichkeiten andersartiger Lebensführung – meist allerdings verbunden mit vertiefter Unterwerfung.
Im Zuge transnationaler Verlagerung und immer neuen Entlassungswellen sind selbst die fest angestellten Stammbelegschaften nicht mehr sicher. Waren prekäre Randbelegschaften zunächst erwünschter Flexibilisierungspuffer, schleicht sich bei den Kernbelegschaften ein diffuses Gefühl der Ersetzbarkeit ein, da sich die Externen in kurzer Zeit als mindestens ebenso leistungsfähig und extrem einsatzbereit, als flexibler, gefügiger und v.a. billiger erweisen. Ihre Präsenz wirkt disziplinierend (Dörre 2005, 254). In den Bereichen mit hoch qualifizierten Angestellten produzieren Freelancer einen ähnlichen Effekt. Der Druck ist allgegenwärtig. Noch stärker als bei befristet Beschäftigten, die trotz Hoffnungen mit dem Ende ihres Arbeitsverhältnisses rechnen, keinen sog. „psychologischen Vertrag“ mit ihrem ›Arbeitgeber‹ geschlossen haben, fürchten sich Festangestellte vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes, haben Schwierigkeiten mit der Ungewissheit. Sie haben generell höhere Erwartungen an das Management und reagieren etwa auf mangelnde Anerkennung von Seiten der Vorgesetzten sensibler und gekränkter. Für prekär Beschäftigte, gerade im Niedriglohnbereich, hingegen, ist die Kurzzeitigkeit der Arbeitsverhältnisse auch ein Moment, unbefriedigende, belastende und despotisch organisierte Arbeit oder ein schlechtes Arbeitsklima auszuhalten – diese spezifischen schlechten Zustände, diese belasteten Beziehungen zu bestimmten Menschen sind eben nicht von Dauer, das emotionale Engagement von vornherein geringer. Eine Identifikation mit dem Betrieb gibt es bei ihnen nicht.
Daher treffen Ängste vor allem jene, die sich konkret vom Abstieg bedroht fühlen. Es dominiert die Sorge, um den Erhalt des Arbeitsplatzes, so „widerwärtig er auch sein mag“ (Bourdieu 2000, 72). Progressive Arbeitspolitiken, Arbeitzeitverkürzung, Vereinbarkeit von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit geraten in die Defensive, gehören nicht länger zu den vordringlichen Interesse der Beschäftigten (nicht einmal bei Frauen). Bei vielen erwachsen daraus zum Teil ein „reaktiver Nationalismus“ und Rassismus (Dörre u.a. 2004; Flecker/Hentges 2004). Aus dem Versuch, Selbststabilisierung zu erreichen, wird der Anschluss an imaginäre Gemeinschaften gesucht (Flecker/Hentges 2004, 103). Ethnische oder nationale Konstruktionen eignen sich als ideologische Gedankenform, „mit deren Hilfe Konkurrenzerfahrungen subjektiv bewältigt werden können“ (109). Schließlich sind Prekäre oft Migranten und auch die Furcht vor den Praktiken oder der Übernahme durch ausländische Kapitale bestätigt das Gefühl der äußeren Bedrohung. Verletzte Gerechtigkeitsgefühle und der Appell an die ›Tüchtigen und Fleißigen‹ gehen auf die „Erfahrung oder Befürchtung“ von Beschäftigten zurück, dass sie „trotz harter Arbeit und vielfältiger Opfer ihren bisherigen Lebensstandard und sozialen Status nicht halten oder angestrebte Ziele“ nicht erreichen können (139). Der implizite gesellschaftliche Vertrag – harte Arbeit gegen gesellschaftliche Absicherung und Anerkennung – wurde einseitig aufgelöst. Das führt zu Enttäuschungen und Aggressionen, die auf Gruppen gerichtet werden, die die Zumutungen anscheinend umgehen und trotzdem gut leben – etwa Flüchtlinge oder Sozialhilfeempfänger. Diese Begründungsfiguren sind gerade nicht beschränkt auf ›Modernisierungsverlierer‹, sondern finden sich auch und v.a. bei jenen, die sich vom Abstieg bedroht fühlen, und jenen die ihre sozioökonomische Position halten oder verbessern konnten, aber um den Preis erhöhter Arbeitslast, ausufernder Arbeitszeiten und hoher Flexibilität (140). Insofern führt die neue Kultur der Unsicherheit auch zu einer tiefen Unzufriedenheit gegenüber dem Sozialstaat, der Gesellschaft insgesamt und der Funktionsweise der Demokratie (vgl. Gallie/Paugam 2002), an der rechtsextremistische Positionen anzuknüpfen versuchen. Insgesamt zeitigt dies erhebliche nachteilige Wirkungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Doch solange keine französischen Verhältnisse herrschen – oder dänische, mit Blick auf die Revolten vom Februar 2008 in Kopenhagen – , scheint die Verdrängung dieser Entwicklungen möglich. Es dominiert die individuelle Bearbeitung der Probleme.
3. Individualisierung von Arbeitslosigkeit und Prekarität von ›unten‹
Die strukturelle Gewalt der Arbeitslosigkeit „flößt jedem Arbeitnehmer das Gefühl ein, dass er keinesfalls unersetzbar ist und seine Arbeit, seine Stelle gewissermaßen ein Privileg darstellt, freilich ein zerbrechliches und bedrohtes Privileg“, schreibt Bourdieu (1998, 97). Die Angst vor Entlassung demobilisiert die Beschäftigten und schwächt kollektive Interessenvertretungen. Mit paradoxen Folgen: Je weniger Arbeit vorhanden ist, „umso mehr tendiert die individuelle Arbeitszeit dazu länger zu werden“ (Gorz 2000, 74). Wir erleben ein Nebeneinander von Menschen ohne Arbeit, die an den gesellschaftlichen Rand gedrängt sind, und Menschen, die „ohne Ende arbeiten“ und deren beider Gesundheit dabei Schaden nimmt.
Die Konkurrenz um die Arbeit entsolidarisiert und führt zur Spaltung zwischen jenen, die über einen Arbeitsplatz verfügen und einem unter- oder unbeschäftigten Subproletariat.[1] Die Schuld für die mangelnde „Beschäftigungsfähigkeit“, wie es heute heißt, wird individualisiert. Gründe für Arbeitslosigkeit werden im individuellen Fehlverhalten verortet: Fehlqualifikationen, Fehlsozialisation, individuelle Defizite, Suchtverhalten, Motivationsschwächen usw. (Blauer Montag 2002, 720). Phänomene wie Massenarbeitslosigkeit und Armut werden so über die „Verwandlung von Außenursachen in Eigenschuld“ (Beck 1986, 150), also von einem „Systemversagen“ in persönliches Versagen von ihrer sozialen Sprengkraft entschärft.
Millionenfache Arbeitslosigkeit kann so gleichsam ›weg-individualisiert‹ werden. Dann ist nicht die Arbeitslosigkeit für sich genommen das Verhängnisvollste, sondern das Leid, das sie hervorruft und das zum großen Teil aus der mit ihr verbundenen Stigmatisierung und gesellschaftlichen Ausgrenzung resultiert. Die Beschäftigungslosen „urteilen über sich mit dem Blick derer, die über sie urteilen – ein Blick, den sie übernehmen, der sie als schuldig betrachtet und der dazu führt, dass sie sich fragen, welche Unfähigkeit, welcher Hang zum Scheitern, welche Irrtümer sie in diesen Zustand haben geraten lassen“ (Forrester 1997, 14). Dieser Schuldkomplex zersetzt ihre Handlungsfähigkeit, verstellt den Blick auf die herrschenden politischen Verhältnisse und verhindert Widerstand. Jene, die die Arbeit in den meisten Fällen knechtet, werden dazu gebracht, dass sie um Arbeit „betteln“ (ebd., 20) und zwar unabhängig von (schlechten) Arbeitsbedingungen und dem (niedrigen) Preis der Arbeit.
Angesichts der sinkenden Chancen überhaupt eine Stelle zu bekommen, eine Arbeit, etwa die zumindest mittelfristige eine Perspektive eröffnet, die erwartbar eine Verbesserung der eigenen Situation verspricht, finanziell wie persönlich, und vielleicht sogar noch Sinnhaftigkeit und Freude vermittelt – angesichts dieses Mangels, orientieren ältere Männer und insbesondere junge Erwachsene und Jugendliche immer weniger auf den Versuch der Integration in formelle Lohnarbeit. Angesichts fehlender Möglichkeiten (nicht nur Arbeitsplätze, sondern Wissen und Qualifikation, gesellschaftlicher Benachteiligungen und Diskriminierungen, psycho-sozialer Probleme, etc.) kann für immer größere Gruppen keine reale, sondern nur noch eine fiktive Integrationsperspektive angeboten werden. Die Anrufung der Eigeninitiative und der Druck zum Unternehmer seiner Selbst zu werden, verkehrt sich zur Zumutung, die von den Betreffenden durchaus als Illusion oder Ideologie wahrgenommen und abgewehrt wird – mit zum Teil nachteiligen Folgen für sich selbst. Sie wenden sich ab von der Mehrheitsgesellschaft. Treten ethnisch, nationale und kulturelle Zuschreibungen hinzu (Stichwort junge, männliche Moslems) entstehen vermeintliche ›Parallelgesellschaften‹.
Einige (z.B. lebensweltorientierte) Ansätze der Sozialen Arbeit nehmen dies zum Teil auf. Statt auf illusionäre Zwangsintegration, konzentrieren sich diese Ansätze zu Recht auf Stabilisierung der Reproduktion der Betroffenen jenseits von Normalarbeitsverhältnis und dominanter Lebensweise. In den Vordergrund rückt, wenn man so will, das Management gesellschaftlicher Spaltung und Ungleichheit durch Stabilisierung der Randgruppen, das Training des Selbstmanagements in Armut. Die Marginalisierten selbst, entwickeln informelle Überlebensstrategien: sie nehmen Sozialleistungen in Anspruch soweit es ihnen möglich ist, d.h. soweit die despotischen Verhältnisse und repressiven Maßnahmen dies ermöglichen, und kombinieren dies mit Aktivitäten in der informellen Schattenökonomie, von Gelegenheitsjobs, über Tauschwirtschaft, Nutzung von Suppenküchen u.ä., bis hin teilweise bestehenden Berührungspunkten zur Kleinkriminalität. Stabilisiert werden diese Gruppen durch Konstruktion von ethnischen, geschlechtlichen, familiären, religiösen u.a. Identitäten und Gemeinschaften oder durch Cliquen, in denen sie Rückhalt und gesellschaftliche Anerkennung jenseits der Mehrheits-Arbeitsgesellschaft erfahren.
Widersprüche, Beschränkungen und Möglichkeiten werden also aktiv bearbeitet, eine gewisse Handlungsfähigkeit erhalten. Somit wird Prekarität quasi auch von ›unten‹ reproduziert. Zum Teil werden die Möglichkeiten einer selbstgewählten Zeitstrukturierung oder der Intensivierung von Sozialbeziehungen jenseits der Arbeit durchaus als positiv eingeschätzt. Nicht verschwiegen werden soll, dass die Marginalisierung für viele jedoch gerade Störung der (durch die Arbeitsgesellschaft geprägten) Zeitstrukturen bedeutet, eine Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls, Ohnmachtserfahrungen, Zurückgeworfenheit auf das Private, Überlastung der Familie etc. mit sich bringt (Holzkamp 1987b, 367ff). Die Einzelnen bewegen sich also in einer Bedingungs- und Bedeutungskonstellation mit objektiven Beschränkungen und Möglichkeiten, symptomatisches Reagieren und aktiv subjektives Orientierungshandeln sind dabei zumeist eng verwoben (382).
4. Verunsicherte Handlungsfähigkeit
Wie gesagt, beschränken sich Prozesse der Prekarisierung eben nicht auf die vermeintlich Abgehängten, Arbeitslosen und Marginalisierten, die noch nie in gesicherten Verhältnissen lebten, sondern dringt in die Mitte der Gesellschaft vor.
Vor allem zu Zeiten des Fordismus konnten Arbeiterbewegung und Gewerkschaften einen Status von Normalarbeitsverhältnissen erkämpfen, der sich durch hohe Standardisierung, dauerhafte Vollzeitbeschäftigung, kollektive Verträge und umfangreiche soziale Rechte auszeichnete. Diese in erster Linie ›weißen‹, männlichen Arbeiter, organisiert in starken Gewerkschaften, konnten unter den Bedingungen einer stetig wachsenden Wirtschaft Spielräume zur Verbesserung der Einkommens- und Arbeitsbedingungen nutzen und in korporatistischen Arrangements eine Anbindung der Löhne an Produktivitäts- und Inflationsentwicklung sowie den Ausbau des nationalen Sozialstaates durchsetzen.
Diese gesellschaftlichen Bedingungen haben sich in der Tat aufgelöst. Unter dem Druck der Massenarbeitslosigkeit konnten in den vergangenen 25 Jahren Löhne beschnitten und die institutionelle Stellung der Gewerkschaften redimensioniert werden. Die strukturelle Gewalt der Arbeitslosigkeit, die sich keineswegs nur auf die unteren Qualifikationsniveaus beschränkt, untergräbt die kollektive Verhandlungsmacht. Allgemein kommt es zur Entstandardisierung, Deformalisierung und Individualisierung von Arbeitsverhältnissen. Die Flexibilisierung betrifft alle Lohnabhängigen, allerdings in unterschiedlicher Weise und von unterschiedlichen Niveaus ausgehend. Im Folgenden vier exemplarische Beispiele:
4.1. Die alleinerziehende Verkäuferin
Christina ist Ende Dreissig, unverheiratet, alleinerziehende Mutter eines Kindes, ausgebildete Schneiderin und arbeitslos, da sie keine Arbeit fand, die ihren Lebensunterhalt deckt und zugleich die Versorgung ihres Kindes ermöglicht. Doch im Zuge der sog. Hartz-Reformen wird das Recht auf ein staatlich garantiertes armutsfestes Existenzminimum relativiert und seine Einlösung an Pflichten gebunden. Deren Ziel ist die Motivation von Arbeit unterhalb der alten ›Normarbeitsverhältnisse‹: „Die sind jetzt netter im Jobcenter, aber du bekommst immer vermittelt, dass du dich mehr anstrengen musst, dass du was falsch machst, es an mir liegt. Und wenn ich nicht dauernd beweise, wie ich mich bemühe, drohen sie mir, Leistungen zu kürzen – aber ganz freundlich und du darfst dich nie aufregen, bloß nicht. Da wird auch ein mieser Job wieder attraktiv, aber soll ich jetzt putzen gehen? Habe ich kein Recht auf einen vernünftigen Job, von dem ich leben kann?“
Christina findet eine Stelle als Verkäuferin, zunächst sozialversicherungsfrei auf 400-€-Basis, dann immerhin 30 Stunden in der Woche – also eine ›lange Teilzeit‹-Stelle an fünf Tagen pro Woche, befristet. Der Lohn ist so gering, dass sie zusätzlich „ergänzende Leistungen zum Lebensunterhalt“ bezieht – sie ist eine der 1,3 Mio. ›Aufstocker‹ die trotz Arbeit staatliche Unterstützung erhalten (DGB, FR v. 5.1.2008), um wenigstens das nicht einmal armutsfeste Existenzminimum zu erreichen, eine staatliche verwaltete working poor – „für das Bisschen zusätzliches Geld muss man sich aber dauernd rechtfertigen und alles bloßlegen; die verursachen einen Wahnsinns-Aufwand und dann stimmen die Bescheide oft nicht“. Will sie ihr Recht erlangen muss sie Widersprüche einlegen und ggf. vors Sozialgericht gehen, wie so viele. „Aber wer hat die Zeit dafür?“ Nach eigener Auskunft arbeitet Christina, Erziehungs- und Hausarbeit eingerechnet, 70 Stunden in der Woche, hoch flexibel im Zeitmanagement zwischen Job, Schule, Hort, Zuhause und den Großeltern, die ab und zu helfen. „Der Stress macht dich platt, zwischen der Chefin, die dauernd antreibt, und den vielen Kunden, die an mir ziehen… wie soll man da noch freundlich und aufmerksam bleiben? Auch die Kolleginnen sind überlastet, da kann man sich auch gegenseitig kaum helfen, darunter leidet das Betriebsklima. Und am Ende denkt jede, man schafft den eigenen Anspruch nicht, ich bringe nicht genügend Leistung.“ Der gerade im Dienstleistungsbereich notwendige affektive Aspekt wird untergraben, die Leistung qualitativ hochwertiger Arbeit erschwert – die Folge sind Stress, Dequalifikation und eben niedrige Löhne, begründet durch das von den Unternehmen selbst produzierte niedrige Leistungsniveau.
Auch von Seiten des Managements wird Christina der geringe Wert ihrer Arbeit ständig vermittelt. Personalführung erfolgt mit Druck, die Betonung der Arbeitspflichten bei Dethematisierung der sozialen und Arbeitsrechte sollen von vorne herein das Selbstwertgefühl der Arbeiterinnen treffen und potenziellen Widerstand oder ›Aufmüpfigkeit‹ unterbinden. Es geht gar nicht darum, „ob jemand seine Arbeit gut macht“, stattdessen wird „Unterwürfigkeit verlangt“. Diese Art des Vorgehens ist keineswegs nur auf schlechtes Management zurückzuführen. Die Verkennung bzw. Entnennung der durchaus qualifizierten Fertigkeiten und Leistungen der Beschäftigten ist funktional. Deren Anerkennung würde die Zahlung der Niedrigstlöhne erschweren, das Selbstwertgefühl und die Ansprüche der Beschäftigten auf soziale Rechte stärken. „Du brauchst nur kurz darauf hinzuweisen, dass du gewisse Rechte hast, zur Pause zu gehen, Dienstplanänderungen rechtzeitig angekündigt zu bekommen, oder dass ich nicht für das Putzen im Lager zuständig bin, schon bist du auf dem Kiecker.“ Entsprechend werden Organisierungsversuche etwa zur Gründung eines Betriebsrates mit Drohungen und subtilen Strafen, Versetzung etc. beantwortet, Tarifrecht ist hier seiner Bedeutung enthoben – nur noch eine institutionelle Hülle, die zwar gilt, aber leer bleibt, weil der Anspruch individuell kaum eingelöst werden kann. Niedriglohn erfordert dabei, damit die Arbeitskräfte auch billig bleiben, in gewissem Sinne die kruden, autoritär-paternalistischen Ausbeutungsverhältnisse – oftmals auf Kosten der Produktivität. Die Schwierigkeit von den erarbeiten Lohneinkünften ein Leben oberhalb der Armutsgrenze zu bestreiten stellt Christina vor Zerreißproben.
Das Einkommen von nahezu 50% der alleinerziehenden Frauen in Deutschland (ebenso wie in Großbritannien) liegt unterhalb oder an der Grenze des Existenzminimums. Die Armutsberichte der Bundesregierung belegen immer wieder den dramatischen Anstieg der Armut von Familien bzw. alleinstehenden Frauen mit Kindern – Kinder gelten im Alltagsdiskurs mehr und mehr als Armutsrisiko. Die Intensivierung der Arbeit steigert die Reproduktionserfordernisse; gleichzeitig verkürzen erhöhte zeitliche Ansprüche der Erwerbsarbeit an Frauen die verfügbare Zeit für die Reproduktion von eigener und neuer Arbeitskraft. Beides muss in immer kürzerer Zeit geleistet werden und setzt die Betroffenen einem gesteigerten zeitlichen Stress aus. Der größte Teil der Lebenszeit ist davon geprägt, an die Beschaffung eines Jobs, an die Organisation der Zeit zu denken, daran, wie man mit dem Geld auskommen könnte, wo noch etwas zu sparen, wo noch etwas hinzuzuverdienen wäre etc. Es reicht in der Regel kaum für das Notwendigste. Schon für eine halbwegs akzeptable Wohnung muss größtenteils deutlich mehr als die Hälfte der Einkommen gezahlt werden. Die Wohnverhältnisse sind oft deprimierend und eng, lange Anfahrtswege zur Arbeit inklusive. An Luxusgüter, Auslandsurlaub oder vielfältige kulturelle Aktivitäten vom Essengehen, bis zum Konzert ist ohnehin meist nicht zu denken, auch deshalb gewinnt der Fernseher so oft an Bedeutung.
Doch nicht Armut an sich, sondern das Gefühl der Bedrohung, zunehmende Einschränkungen und realer Abstieg lösen Krisen aus, führen zu Spannungen. Sind die Probleme vorübergehender Natur und werden gemeinsam bewältigt, stellt sich ein positiver Effekt hinsichtlich sozialer Bindungen ein. Über einen längeren Zeitraum jedoch, wirkt die Unsicherheit zersetzend auf soziale Bindungen. Unter diesem Druck wird es auch immer schwieriger z.B. Kindern, jene Aufmerksamkeit und Hilfe zu bieten, die sie für die Entwicklung von Fähigkeiten und Wissen benötigen. Auch Beziehungen mit Männern zerbrachen Christina regelmäßig unter dem Druck, zuletzt mit Marco, der als Leiharbeiter „relativ gut verdiente, wenn er Arbeit hatte“, nur dann nie zu Hause war: mit dieser erzwungenen Mobilität, „da war er mir keine Hilfe. Wir konnten auch kein richtiges Familienleben aufbauen, immer wenn wir uns aneinander gewöhnt hatten, war er wieder weg. Und wenn er da war, waren wir eigentlich immer kaputt “. Nachdem die Familie im Prozess der der Etablierung des doppelt freien Lohnarbeiters „zwar ihre ›produktiven‹ Funktionen eingebüßt hat“, ihre reproduktiven jedoch zunächst bewahrte (Meillassoux 1975, 9), verliert sie auch diese im Zeitalter des Neoliberalismus zusehends. Eine Krise der Reproduktion, der weder mit den „ergänzenden Leistungen“, noch mit zusätzlichen Betreuungsmöglichkeiten beizukommen ist.
4.2. Die Solo-Selbständige
Emilia, Anfang 40, ebenfalls unverheiratet, ein Kind, ist Produzentin beim italienischen Fernsehen. Allerdings gehört sie nicht zum Kern der Festangestellten, sondern arbeitet auf Projektbasis, mal für den einen, mal für den anderen Sender, meistens aber nur für einen bestimmten. Nach der Babypause war die Selbständigkeit für sie ein Ausweg aus der Arbeitslosigkeit, in der Hoffnung darüber eine Festanstellung zu erlangen – diese Hoffnung hat sie inzwischen aufgegeben. Der Trend geht zum Out-, nicht zum In-Sourcing. Jetzt genießt sie den hohen Grad von Autonomie, den sie in ihrer Arbeit hat, die Möglichkeiten zur Selbstorganisation, „keinen Chef zu haben“ und selbst die Verantwortung zu tragen. Sie bedauert aber, dass sie zugleich nicht richtig in die wechselnden Teams integriert ist, keine stabilen Kooperationsverhälnisse zu Kollegen aufbauen kann. Stattdessen muss sie ungezählte Stunden für „relationale Tätigkeiten“ (Bologna 2006, 10), für die Abstimmung mit Auftraggebern und festangestellten Kollegen, für das Knüpfen von Geschäftsbeziehungen aufbringen, unbezahlt – für sie also unproduktive Komponenten des Arbeitstages. Ihre Arbeitszeit kann Emilia selbst bestimmen, faktisch resultiert daraus aber ein schrankenloser Arbeitstag. „Ich arbeite eigentlich immer und habe doch immer das Gefühl, es ist nicht genug.“ Um Reproduktions- und Erwerbsarbeit überhaupt zu schaffen nimmt sie für die Kinderbetreuung die Hilfe einer illegalisierten Migrantin aus Argentinien in Anspruch. „Die hat ja gar keine Rechte hier, nicht einmal krank darf sie werden.“ Daher zahlt Emilia ihr mehr als üblich, aber viel ist es nicht für ein Leben in Mailand. „Ich muss sehr genau kalkulieren, denn die Festkosten für Telefon, Computer, Versicherungsschutz usw. habe ich immer, Einnahmen nicht. Da muss ich vorsorgen.“ Das Arbeiten auf eigene Rechnung gibt ihr dennoch ein gutes Gefühl, die Honorare, die sie erhält, beinhalten jedoch nicht mehr den entsprechenden Sozialversicherungsschutz des Staates. Aus der Vergütung ihrer Arbeit erwachsen keine Ansprüche mehr gegenüber Staat zum Schutze der sozialen Rechte, vielmehr bleibt umgekehrt nur eine Verpflichtung ihrerseits gegenüber dem Staat, nämlich die Zahlung von Steuern, im Voraus. Emilia ist nicht mehr von einem ›Arbeitgeber‹ abhängig, als kleines Ein-Personen-Unternehmen aber völlig einer schwankenden Marktnachfrage ausgeliefert. „Zwar kann mir keiner mehr sagen, was und wie ich etwas zu tun habe, aber der Druck ist immer noch da, nur schwerer zu fassen“, apersonale Zwänge des Marktes sind schwerer zu bekämpfen. Stark individualisiert stehen ihr die alten kollektiven Kampfformen gewerkschaftlicher Organisierung und des Streiks nicht mehr zur Verfügung. Ihre Arbeitsbedingungen unterliegen einem weniger verrechtlichen System von Bestimmungen (kein Arbeits-, kein Tarifrecht, kein Sozialversicherungsschutz), gleichzeitig ist sie bei der Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber Auftraggebern, die in Zahlungsverzug geraten – was regelmäßig der Fall ist – auf die rechtliche Auseinandersetzung beschränkt. Ihr finanzielles Polster ist jedoch dünn, die Einnahmen unregelmäßig. Verzögert sich eine Zahlung, muss sie sich verschulden, der spätere Abbau der Schulden gelingt ihr nicht wirklich, so dass sich immer größere Belastungen aufbauen. Wesentliche soziale Rechte und Errungenschaften der abhängigen Lohnarbeit sind ihr als prekär Selbständiger verloren gegangen: „praktisch habe ich gar keine Rechte, keine Sicherheiten mehr, Eigenverantwortung… davon habe ich nun mehr als genug“. Nun stehen wieder Einsparungen beim Sender bevor, davor hat sie Angst, denn „so etwas wie Kündigungsschutz, gibt es ja nicht. Das Schlimmste ist diese Ungewissheit, nie zu wissen, wie es morgen weiter geht… Wenn der Druck wieder zu groß ist, ruf ich meine Therapeutin an, die ich mir aber nicht immer leisten kann“. Aber sie hat auch einen „Freiheitssinn“ entwickelt, eine Haltung, die weniger Akzeptanz gegenüber Fremdbestimmung, Kontrolle oder Regeln transportiert: „Ich bin selbstbestimmter, trotz alledem. Ich bin auch flexibler, kann in wichtigen Momenten bei meinem Kind sein, auch wenn insgesamt weniger Zeit bleibt, ist die Zeit besser genutzt… meistens…, manchmal… doch.“ Das Begehren weniger entfremdeter Arbeitsweisen, nach der Verbindung von Arbeit und Leben rückt wieder in den Vordergrund – die Schwierigkeit besteht darin, den kollektiven Sinn dieser Transformation zu bestimmen, Solidarität und Autonomie zu verbinden (Bologna 2006, 23; Candeias 2008, 74ff.).
4.3. Der Migrant dritter Generation
Ibrahim ist Franzose, wie er betont, Mitte 20, seine Großeltern stammen aus Algerien. Er lebt bei den Eltern oder bei Freunden in Saint Denis, einer der sog. Pariser Banlieues. Er ist eigentlich arbeitslos, „aber nicht wirklich“, da er vielfältigen Gelegenheitsjobs im informellen Sektor nachgeht. Dabei gehört er immer noch der Mehrheit derjenigen im Viertel an, die einen Schulabschluss erwerben konnten. Über familiäre Beziehungen hat er sogar eine Berufsausbildung als Bürokaufmann begonnen. Leider hat er sie nicht zu Ende gebracht: „Schon in der Schule wurde einem klar gemacht, dass man eigentlich keine Chance auf einen Job hat, zu Faul sei, keine Manieren habe. Wozu bläuten sie uns dann dieses nutzlose Wissen der Bleichgesichter“, der weißen Franzosen, ein? In der Ausbildung war der Druck gesellschaftlicher Zurichtung noch größer. Ohne Unterstützung beim Lernen und den Rückhalt der Kumpel aus der Schule wurde er „immer zappliger. Ich konnte nicht den ganzen Tag im Büro sitzen, wie ein Mädchen, immer diszipliniert. Ich hätte das sowieso nicht geschafft“. Später begann er seine „Karriere“ im informellen Sektor, „aber nichts illegales“. Das ging eine Weile gut, er war zuverlässig und schnell, erwarb neues Selbstbewusstsein. Doch in den letzten Jahren nahm der Druck im Viertel zu, es gab mehr Gangs und Drogendealer, Freunde wollten ihn in illegale Geschäfte einbeziehen, „aber das war nicht das Problem, damit konnte ich umgehen, denn ich wollte nicht in den Knast, wie all die anderen“. Als problematischer empfand er die Verdächtigungen von Sozialämtern und Polizei: „Klar habe ich schwarz gearbeitet, was ich halt gekriegt habe, aber auf dem Amt gingen sie immer davon aus, dass ich illegale Sachen laufen habe, weil ich nur unregelmäßig kam, dabei war mir immer schlecht, wenn ich aufs Amt musste, ich ging nur, wenn’s nicht anders ging. Aber die haben mir nichts mehr gegeben, wenn ich nicht beweisen konnte, wovon ich in denn sonst gelebt habe. Als ich mich aufregte, haben sie mich raus geschmissen.“ Das Recht auf die Sicherung des Existenzminimums wurde ihm verwehrt, weil er seinen ›Mitwirkungspflichten‹ nicht nach kam. Schlimmer noch empfand er die Verpolizeilichung des Alltags, „man wird an jeder Ecke kontrolliert oder muss damit rechnen. Mein Kumpel ist weiss und dealt. Der macht das, weil er auch keinen Job bekommt, mit der Adresse. Aber der wird nicht kontrolliert. Man muss richtig aufpassen, wenn es wieder abgeht, dass sie nicht zufällig mich greifen und mir Eins überziehen, schließlich sehen wir ›Afrikaner‹ alle gleich aus.“ Tatsächlich wurde er bereits Opfer einer rüden Festnahme, mit Schlägen in Bauch und Unterleib. Nach einer Nacht im Gefängnis wurde er ohne weitere Erklärung entlassen, „die haben sich nichtmal entschuldigt, das macht wütend“. Elementare Bürger- und Sozialrechte werden Ibrahim vorenthalten.
„Ich wollte raus aus dem Viertel, hab mich aufgerafft, ordentliche Klamotten gekauft.“ Eine Tante half ihm bei den zahllosen Bewerbungen. „Ein paar mal bin ich sogar eingeladen worden. Aber es heißt immer, tut uns leid, wir würden ihnen gern etwas anbieten, aber wir müssen uns auf die Zuverlässigkeit unserer Mitarbeiter verlassen können. Die Lücken in meinem Lebenslauf und meine Herkunft sind da ein Unsicherheitsfaktor… von wegen wir sind alle Franzosen und keiner wird diskriminiert“. Die alltägliche Diskriminierung bei gleichzeitiger Entnennung der Ungleichheit, des ›Andersseins‹, führt zu einem tiefen Misstrauen gegenüber der französischen Mehrheitsgesellschaft und gegenüber allen staatlichen Institutionen, von der Schule bis zur Polizei – „die dienen alle der Kontrolle, die wollen uns kontrollieren, weil sie Angst vor uns haben, aber wovor eigentlich?“. Während soziale Rechte auf Gleichbehandlung, Bildung, Arbeit und Einkommen, v.a. auf eine Perspektive eingeschränkt werden, reagiert die neue Regierung unter Präsident Sakorzy mit einer Verschärfung des Strafrechts für Minderjährige und Wiederholungstäter. Alternativ werden subkulturelle und deviante, individuelle und kollektive Überlebensstrategien entwickelt. Dabei wird die von außen kommende, abwertende Zuschreibung der Banlieues und ihrer Bewohner zunächst reproduziert, wird Teil der Identität, verfestigt Minderwertigkeitsgefühle, die sich v.a. bei jungen Männern in affektiven Reaktionen, Vandalismus und brutaler Sprache usw. zeitweise entladen –- eine Gegenkultur, die Widerständigkeit artikuliert und zugleich Diskriminierung reproduziert. Auch untereinander scheint der Alltag zunehmend geprägt von Kriminalität, Gewalt und Misstrauen. Das Ibrahim nicht aufgab, verdankt er dem Rückhalt der Familie und seiner Freundin, einer Illegalisierten aus Marokko. Sie schlagen sich durch. „Wie lange ich das durchhalte… keine Ahnung… Ich hätte gern eine Familie, einen Job, ganz einfache Dinge, aber das habe ich fast aufgegeben… einfach durchkommen…“
4.4. Der hochqualifizierte ›Normalarbeiter‹
Bobby ist Anfang 40, verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in einem kleinen Haus am Stadtrand. Er arbeitet bei einem Hightech-Unternehmen im Maschinenbau, hat sich als Facharbeiter immer weiter qualifiziert. Der Chef attestierte ihm Ingenieur-Niveau. Er wurde Gruppensprecher und dann Betriebsrat für die IG-Metall. Doch die Gewerkschaft und Betriebsräte sind „in vielen Bereichen nicht mehr handlungsfähig“. Unter dem Druck der Globalisierung, von Verlagerungs- und Schließungsdrohungen und vor dem Hintergrund der Verbetrieblichung industrieller Beziehungen, stellen Unternehmen nicht nur in Krisenfällen unzählige Anträge auf Abweichungen vom Flächentarifvertrag – Arbeitszeitverlängerung, Lohnsenkungen, Kürzungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Abschläge auf Tariferhöhungen für x Jahre etc. – kurz: es geht nicht mehr nur um das Abweichen in Ausnahmefällen, sondern um die nachhaltige Verschiebung der Verteilungsverhältnisse und Anpassung der Arbeitsbedingungen nach ›unten‹. Scheibchenweise Zugeständnisse an Unternehmensinteressen zu leisten, mithin die sozialverträgliche Organisation der Restrukturierung zu übernehmen, kann aber nicht fortgesetzt als erfolgreiche gewerkschaftliche Politik „verkauft“ werden.
Bobby erlebt die Erosion „tariflicher Haltegriffe“. Das Aktionsfeld Flächentarif wird kleiner, weil Unternehmen aus dem Flächentarif flüchten oder sog. Öffnungsklauseln interessenpolitische Rückschritte verallgemeinern. So trifft der Druck auf die Tarife nicht länger nur die prekären Randbelegschaften oder klein- und mittelständische Betriebe. Der Angriff erfolgt in den letzten Jahren in den Hochburgen gewerkschaftlicher Organisation, also bei Opel, Daimler oder VW oder eben in Bobbys Maschinenbauunternehmen. Der Flächentarif verändert dann seine Funktion: Früher galt er noch als eine Art Mindestnorm, die in betrieblichen Vereinbarungen überschritten werden konnte, eben bei den großen Unternehmen, wo man immer noch etwas drauflegen konnte. Diese Funktion als tarifliche ›Haltelinie‹ hat der Flächentarif inzwischen vielerorts eingebüßt. Flächentarife sind heute eher eine ›Höchstnorm‹, die in der Regel in betrieblichen Vereinbarungen und Bündnissen herunter gehandelt wird. Immer mehr Regelungsbereiche wachsen auf diese Weise der betrieblichen Ebene zu. Unter dem Druck der Abwanderungsdrohung oder der Keule der Wettbewerbsfähigkeit agieren viele Betriebsräte mit dem Rücken an der Wand, machen Konzessionen, die sie in Gegensatz zur Gewerkschaftspositionen treiben, um „Schlimmeres zu verhindern“.
Trotz positiver wirtschaftlicher Ergebnisse, drohte Bobbys Maschinenbauunternehmen nach diversen Restrukturierungswellen das aus. Die Konzernleitung wollte Kosten in Höhe von 200 Mio. Euro einsparen. Zu diesem Zweck sollten unterschiedliche Produktionsbereiche konzentriert, andere aufgegeben bzw. verlagert werden. Fast zwei Drittel der Beschäftigten sollten entlassen werden. Dabei war nur sechs Monate zuvor ein Interessenausgleich zur Standortsicherung zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat vertraglich vereinbart worden, der „herbe Zugeständnisse“ von den Beschäftigten abforderte. Nun wurden weitere, noch heftigere Einschnitte gefordert. Eigentumsordnung und Betriebsverfassungsgesetz beschränken jedoch von jeher die Handlungsmöglichkeiten von Gewerkschaften bei drohenden Betriebsschließungen oder Verlagerungen. Im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes „tritt der Betriebsrat auf den Plan und verhandelt den Interessenausgleich“. Ergebnis ist ein Sozialplan der über betriebsverfassungsrechtliche Mechanismen abgewickelt wird, ohne Streikrecht, ohne Möglichkeit, die Beschäftigten zu mobilisieren, Gegenwehr zu organisieren. Quasi wird allen Arbeitsverhältnissen nur noch zeitweilige Gültigkeit verliehen: die mühsam ausgehandelten Beschäftigungsgarantien, meist gegen Lohnverzicht und längere Arbeitszeiten, gelten für wenige Jahre, und auch nur soweit sich die Lage des Unternehmens nicht verändert haben sollte. Oft haben diese Beschäftigungsgarantien nur ein paar Monate Bestand, trotz der massiven Zugeständnisse (Hauer 2004; Candeias/Röttger 2007). Was heisst dann noch sichere Beschäftigung, fragt sich Bobby? „Auch unbefristete Jobs werden mehr und mehr prekär. Vor allem die Angst lähmt und macht die Leute kaputt, v.a. seit Hartz-IV. Schon Ende 40 findest du doch kaum noch Jobs und dann droht der Abstieg. Das setzt die Kollegen richtig unter Stress, das geht rein bis in die Familien.“
5. Von der Anomie zur Organsisierung
Das Prekariat ist Teil der Klasse der Lohnabhängigen, unterscheidet sich aber durch die mangelnden Bedingungen ihrer Reproduktion der Arbeitskraft und Enteignung einst errungener sozialer Rechte. Sie bilden eine Klassenfraktion mit gemeinsamer, empirisch fassbarer Kollektivlage, die aus spezifischen, verschärften und zugleich flexibilisierten Ausbeutungsverhältnissen sowie entsicherten Lebensverhältnissen durch Einschränkung sozialer Leistungen resultiert und in einem untergeordneten Verhältnis gegenüber anderen Klassen und Klassenfraktionen steht. Sicher: Die individuelle Bearbeitung der Widersprüche überwiegt, die Benachteiligten scheinen unfähig, die „kollektive Natur des Dilemmas anzuerkennen“ (Wacquant 2004, 165), es dominieren soziale Desintegration, Spaltung und Desolidarisierung (Candeias 2007). Aber in den Schildungen wurde bereits die hohe Aktivität der Prekären sichtbar: sie befinden sich in einer Art Schwebe – sie haben „den Anschluss an die vermeintliche Normalität noch immer vor Augen und müssen alle Energien mobilisieren, um den Sprung vielleicht doch noch zu schaffen. Andererseits sind permanente Anstrengungen auch nötig, um einen dauerhaften sozialen Abstieg zu vermeiden. Die „modernen Prekarier“ haben daher „keine Reserven, kein Ruhekissen“ (Dörre 2005, 254), sind aktiv bis an oder über die Grenzen des psycho-physisch Leistbaren hinaus.
Dennoch dominiert die mediale Wahrnehmung des Prekariats als apathisch und inaktiv hingenommene Verwahrlosung – das Bild des ›Penners‹ auf der Parkbank. Ungleichheitsforscher wie Robert Castel verstärken diese Sicht ungewollt, wenn sie bei Prekären allgemein eine Tendenz zum „Sich-Einrichten“ verzeichnen, einen „Realismus der Hoffnungslosigkeit“, der Abschied nimmt von Versuchen zur Reintegration, sich passiv-resignativ damit abfindet (einschließlich sporadischer Gewaltausbrüche mit selbstzerstörerischen Merkmalen). Solche Beobachtungen sind zum Teil zutreffend, beschreiben Phänomene sozialer Desintegration des alten fordistischen Modells der Arbeit und sozialer Integration. Zugleich reproduzieren sie den Blick auf die Betroffenen von ›oben‹, neigen zur tendenziellen Entsubjektivierung der Betroffenen als Handelnde in den Verhältnissen. Gegen die Sicht einer anomen Nicht-Klasse von Marginalisierten sprechen v.a. international vermehrt anzutreffende Phänomene der Selbstorganisierung von informellen Netzwerken bis zu zahlreichen politischen Organisationsformen.
Denn auch unter den Prekarisierten (oder gerade unter ihnen) regt sich Widerstand. Ken Loach zeigt in seinem Film Brot und Rosen (2000), exemplarisch den Streik der Putzfrauen und anderer, v.a. migrantischer Niedriglöhner und seine Folgen für die auf ihre Arbeit angewiesenen Banken und Unternehmen in Los Angeles. Immer wieder gelingt es vermeintlich apathischen Gruppen, wie illegalisieren migrantischen Landarbeitern oder Bauarbeitern, Reinigungskräften, Teilzeitverkäuferinnen, auch transnationalen Konzernen beachtliche Konzessionen abzuringen.
Die Organisationsformen sind vielfältig: Die schon fast totgesagten living-wage Kampagnen in den USA seit Beginn der 1990er Jahre haben 2006 unter dem Motto ›Let Justice Roll‹ eine Mobilisierung erreicht, die lokale Zusammenhänge wirksam überschreitet: mehr als 80 Arbeiter- und Community-Organisationen schlossen sich zusammen und konnten während der Wahlen zum Kongress 2006 Referenden für Mindestlöhne in sechs Bundesstaaten starten (in Arizona, Colorado, Missouri, Montana, Nevada, Ohio). Kurz zuvor hatten die illegalisierten Migranten in den USA v.a. in Kalifornien Millionen zu Demonstrationen auf die Strasse gebracht und damit eine zumindest begrenzte Verschiebung in der Wahrnehmung ihres Beitrages für die US-Ökonomie erreicht. Zusammen mit den Organizing-Kampagnen von Gewerkschaften und Gemeinden und ihrer zunehmend antagonistischen Positionierung gegenüber verschärfter kapitalistischer Ausbeutung von Arbeitskräften, kann von zunehmender Anomie und Desorganisation keine Rede sein. Auch diesseits des Atlantiks finden sich vielfältigste Organisationsformen: die grenzüberschreitenden Euromärsche gegen Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung; von Prekären gegründete Gewerkschaften für Prekäre in Italien, die vielen ›Anti-Hartz-Bündnisse‹, Arbeitsloseninitiativen oder ›Call-Center-Initiativen‹ in Deutschland sowie grenzüberschreitende Netzwerke von Hausarbeiterinnen und Migranten wie respect, mujeres sin rostro, die Sans-Papiers, Künstlerinitiativen wie den Intermittands und autonome Forschungsgruppen von Frauen wie die Precarias a la deriva etc. Es ist ein Teil eben jener Prekären – nicht nur der Hochqualifizierten –, die besonders aktiv am Aufbau einer globalisierungskritischen Bewegung der Bewegungen mitwirken und neue Formen des Protest hervorbringen. Künstler und Medienschaffende, arbeiten mit Programmierern und Sozialwissenschaftlern transnational an einer Erneuerung der Ästhetik des Protest, an neuen Vermittlungsformen der Kritik, an der Verbindung von politischer, künstlerischer und technologischer Praxis in vielfältigsten Gruppen und Organisation: von den Euromayday-Paraden, über Gruppen die Protest, Reflexion, Service und Performance verbinden, wie der Migrantenorganisation MAIZ, die auch ganz irdische Hilfestellung bei Arbeitsstreitigkeiten, Aufenthaltsrecht oder Gewalterfahrung anbietet.
Solche Erfahrungen gilt es sichtbar zu machen und systematisch auszuwerten. Sie sprechen gegen die Vorstellung einer „radikal individualisierten Erwerbsgesellschaft“, wie sie sich Neoliberale vorstellen, in der „gleichsam jeder zum Unternehmer seiner eigenen Arbeitskraft wird“ und „(Klassen)Solidaritäten ebenso wie Betriebsräte eher hinderlich“ sind (Bonß 2000, 378). Eine polarisierte neoliberale Ökonomie erzeugt vielmehr neue Klassenspaltungen, die in vielfältiger Weise gebrochen werden und sich mit anderen gesellschaftlichen Spaltungslinien entlang von Nationalitäten, Ethnien, Geschlecht etc. überlagern. „Bilder einer klassenlosen Gesellschaft“, so Richard Sennet, können also „auch dazu dienen, tiefere Unterschiede zu verhüllen“ (2000, 97) und neue Formen gemeinschaftlicher Reorganisation und gesellschaftlicher Solidarität nicht sichtbar werden zu lassen, die über Formen restriktiver Handlungsfähigkeit hinaus auf gemeinsam erweiterte Handlungsfähigkeit zielen.
6. Anomie und Desorganisation
Dieses Sichtbarmachen wird jedoch auch von kritischen Soziologen durch einen theoretischen Ansatz mit latent strukturalistischen Erbe verstellt. Auch wenn Castel oder z.B. Loic Wacquant (2007 u. 2004) keine Soziologie der Reproduktion entwerfen, vielmehr die Transformation innerhalb der reproduktiven Schleifen betonen wollen, gerät ihnen die Betonung von Zwängen, Einschränkungen und letztlich individualisierten (Destinktions)Kämpfen unfreiwillig zu einer Neigung zu einer „konservativen Weltanschauung“, die ihren „Ursprung zweifelsohne im Durkheim’schen Begriff der Anomie hat“, so Fabien Jobard (2004, 321). Insbesondere Castel fällt in einen hermetischen Determinismus zurück, wenn er Bourdieu zustimmend in einer Weise interpretiert, „dass am Anfang der Zwang steht, dass die Gesellschaft aus einem Zwang hervorgegangen ist und sie zuallererst aus Zwängen besteht“ (2003, 348). Prekarisierung wirkt dann als Zersetzung des sozialen Gewebes und führt zur Konzentration der individualisierten Überflüssigen in Räumen des Ausschlusses (z.B. den Banlieues). „Dort beruhen die gesellschaftlichen Beziehungen auf einer tiefen Anomie“ ohne Kollektivität oder gemeinsame Erfahrung, „die folglich nur zu Einzelereignissen führt; dort wirkt dann die [physische wie symbolische] Gewalt immer individuell und wenn in irgendeiner Weise kollektiv, dann auf der Basis kleinkriminieller Erscheinungsformen; dort werden die üblichen gesellschaftlichen Verhältnisse außer Kraft gesetzt“ (Jobard 2004, 321). Das Prekariat erscheint als Ansammlung zielloser Existenzen. Die Analyse beschränkt sich auf die Erklärung, warum sich an solchen Orten oder in solchen Gruppen nichts Politisches formieren kann.
Organisierung gerät zur unmöglichen Vorstellung in einem ›Regime der Angst‹: Menschen, „die sich in prekärer Lage befinden, lassen sich kaum mobilisieren, da sie in ihrer Fähigkeit, Zukunftsprojekte zu entwerfen, beeinträchtigt sind“ (Bourdieu 1998, 98). Unweigerlich fragt man sich, wie es zur Entstehung der Arbeiterbewegung kommen konnte (vgl. Thompson 1987)? Die Entstehung einer Arbeitslosenbewegung etwa, erscheint z.B. Bourdieu denn auch als unwahrscheinliches „gesellschaftliches Wunder“ (103). Da eine solche Sicht, den kollektiven Prozess des Übergangs von blockierter oder restriktiver Handlungsfähigkeit zu einer erweiterten oder verallgemeinerten Handlungsfähigkeit nicht begrifflich fassen kann, jenseits von Ungleichheiten und Machtdifferenzen kein Verständnis von gesellschaftlichen Widersprüchen hat, folgt daraus immer wieder ein politischer Voluntarismus, der unermüdlich das ›Trotzdem‹ predigt.
Wacquant stellt zumindest die Frage, wie man das „Gefühl einer geteilten Lage“ schmiedet und „gemeinsame Handlungsziele“ formuliert werden, „wenn sich der wirtschaftliche Druck und die soziale Not der Konfiguaration entsprechend so außergewöhnlich disparat erweist“ (2007). Eine widerständige Praxis zur Erweiterung von Handlungsfähigkeit muss dabei nicht erst von Null auf erfunden werden, sie findet sich bereits in der Alltagspraxis wie im bizarr zusammengesetzten Alltagsverstand (Gramsci). Hier ist auch die Nutzung kritisch-psychologischer Ansätze von Nutzen: Handlungsfähigkeit verstehen sie als ein widersprüchliches Ensemble von Handlungsmöglichkeiten und -behinderungen. Diese Widersprüchlichkeit und ihre unentwegte Bewegung verlangt vom Subjekt Orientierungshandlungen (Markard 2001, 1176). Das Subjekt kann dabei sein Handeln sowohl anpassend, als auch widerständig orientieren bzw. muss beides in je spezifischer Weise leisten, um in den Widersprüchen nicht zerrissen zu werden. Bewusste wie unbewusste Momente gehen dabei in den Habitus ein. In jedem Fall nimmt das Subjekt damit aktiv Einfluss auf seine Handlungsmöglichkeiten, an die angeknüpft werden kann (Candeias 2004, 33).
Ein Habitus ist nicht durch die (objektiven) Bedingungen determiniert, sondern wird von den Subjekten durch Erfahrungen im Handlungsprozess gebildet. Erfahrungen sind „gelebte Praxen mit der Erinnerung an eine selbstgebaute Identität“; sie sind strukturiert durch Erwartungen, Normen, Werte, Zwänge, „kurz durch die herrschende Kultur, aber sie enthalten ebenso das widerständige Moment gegenkultureller Aktivität. Dieses Ineinander von Vollzug und Selbstverwirklichung macht einen Teil der Festigkeit“ etwa von Moralvorstellungen in den Köpfen oder eines Habitus aus (F.Haug 1991, 16). Auch hier lässt sich jedoch an die gegenkulturellen Momente anknüpfen. Dies ist vermittelt mit einer spezifischen Emotionalität. Eine Emotionalität, die, entgegen bürgerlicher Vorstellungen einer von Erkenntnissen und Handlungen abgekoppelten Innerlichkeit, „Voraussetzung ist für eine adäquate kognitive Abbildung der Welt“ (Holzkamp 1987a, 16) – gemeinsames Erleben und auch Erleiden als eine der wesentlichen Grundlagen für Prozesse kollektiver Widerständigkeit, wenn es gelingt Orientierungshandeln, Erfahrung, Reflexion und Gefühl kohärent zu arbeiten. Als weiteres wichtigstes Moment der Anknüpfung an Elemente widerständiger Praxen tritt die Motivation hinzu. Mangelnde Motivation und Bewusstsein der Prekären wird (auch von links) häufig als wesentliches Hindernis betrachtet, um die eigene Lage selbstverantwortlich zu verbessern bzw. den strukturellen Zwängen organisierten Widerstand entgegen zu bringen. Doch ist eine solche Motivation keineswegs eine bloß individuell psychische Angelegenheit. Ein Ziel kann nur dann motiviert verfolgt werden, „wenn ich vorwegnehmen kann, dass in der Realisierung des Ziels ich selber ein Stück Erweiterung meiner Lebensmöglichkeiten, also Verbesserung meiner Lebensqualität erreiche“ (ebd.) – die Organisation in den alten Formen politischer Repräsentation, die Teilnahme an Wahlen etc. ist offenbar kein solcher Weg mehr.
Die Erweiterung der eigenen Bedingungsverfügung ist mit dem Risiko verbunden, mit den Herrschaftsinstanzen in Konflikt zu geraten. Insofern muss sich jeder individuell immer in einem Widerspruch bewegen, „zwischen der Erweiterung der Lebensmöglichkeiten und der Vorwegnahme des Risikos des Verlusts der Handlungsfähigkeit durch die Herrschenden“ (Holzkamp 1987a, 16f) – durch Arbeits- und Sozialverwaltungen, Schulbehörden, alltägliche Kontrolle und polizeiliche Überwachung sowie die ›kleinen Unteroffiziere‹ des Kapitals in Person oftmals nicht gerade üppig entlohnter Abteilungsleiter und Vorarbeiter mit ihren kruden Management- und Gängelmethoden im Niedriglohn- oder im informellen Sektor. Insofern liegt es nahe, sich mit einer beschränkten Handlungsfähigkeit im Rahmen der bestehenden Verhältnisse zufrieden zu geben, „also quasi eine Art von Arrangement mit den jeweils Herrschenden in einer Weise zu treffen, dass man an deren Macht so weit teilhat, oder zumindest deren Bedrohung so weit neutralisiert, dass man in diesem Rahmen noch einen bestimmten Bereich an freiem Raum“ hat (17). Zur Erlangung einer solchen restriktiven Handlungsfähigkeit innerhalb der gegebenen Formen bedarf es nicht nur einer unmittelbar einsichtigen Ausstattung mit Kapital bzw. Geld, beruflicher Qualifikation und Bildung, gesellschaftlichem Status, sozialer Beziehungen und Gesundheit, sondern auch eines besagtem Orientierungshandelns und entsprechender Erkenntnismittel: Die Beherrschten zollen den sie benachteiligenden Machtverhältnissen dabei eine „abgepresste Anerkennung“, weil und indem sie nur über die Erkenntnismittel verfügen, die sie mit den Herrschenden teilen und die „nichts anderes als die inkorporierte Form des Herrschaftsverhältnisses sind“ (Bourdieu 1997, 164). Wir würden allerdings erneut im Strukturalismus einer selbsttätigen Reproduktion der Verhältnisse landen, wenn es dabei bliebe. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Erwerb spezifischer Fähigkeiten, vor allem der Sprache, in Schule und anderen Institutionen des Bildungssystems. Die Schule oder die Universität z.B. lehren Fähigkeiten des savoir-faire, „aber in Formen, die die Unterwerfung“, das Sich-Einrichten „unter die herrschende Ideologie oder die Beherrschung ihrer ›Praxis‹ sichern“ (Althusser 1977, 112). Das ›oder‹ markiert dabei eine entscheidende Differenz. Je mehr spezifische Fähigkeiten entwickelt werden, desto vollständiger die Subjektivation, desto mehr wird aus der einfachen (von außen aufgezwungenen) Unterordnung eine Beherrschung der Praxis als aktive Zustimmung zum hegemonialen Konsens. – Doch was ist mit all jenen die eben nicht an jener Macht zur Beherrschung der Verhältnisse teilhaben, deren prekäre alltägliche Situation die Bedrohung durch die Verhältnisse in keiner Weise neutralisiert, sondern verschärft – hier wirkt die Zersetzung selbst dieser restriktiven Handlungsfähigkeit. Die Auflösung kann in anomische Zustände überführen, Verdrängung und psychische und physische Krankheiten hervorrufen; aber auch das widersprüchliche Verhältnis von Risiko des Verlusts von Handlungsfähigkeit und der subjektiven Notwendigkeit zur aktiven kollektiven Erweiterung der Handlungs- und Lebensmöglichkeiten zugunsten der letzteren verschieben. Bourdieu selbst legte dafür eine Grundlage mit seiner Art kritischer Interventionen: seine Untersuchungen machen das Unbehagen und das Leiden an den Verhältnissen im Prekariat sichtbar und bieten somit eine für die Betreffenden wichtige Möglichkeit zur Einsicht in überindividuelle Zusammenhänge, auf die sie ihre Situation zurück führen können. Nun heisst es den Blick von der Reproduktion der gesellschaftlichen Verhältnisse auf ihre Widersprüche zu lenken (ausführlich dazu Candeias 2006). Im Folgenden bleibe ich auf der individuellen Ebene ihrer Bearbeitung in einer Perspektive erweiterter Handlungsfähigkeit.
7. Organisation und erweiterte Handlungsfähigkeit
Grundlage für eine erweiterte oder verallgemeinerte Handlungsfähigkeit kann die gemeinsame Erfahrung individuellen Leidens im Sinne einer Beschränkung von Handlungsfähigkeit durch „Isolation von den Verfügungsmöglichkeiten über die wesentlichen, langfristigen Lebensbedingungen“ sein (Holzkamp 1987a, 14). Ich beschränke mich im Folgenden auf einige exemplarische Beispiele.
Christina hat die Nase voll. Sie erfülle doch, was dauernd von Frauen gefordert werde, sich mehr um die Kinder zu kümmern und zusätzlich arbeiten zu gehen – „welcher Mann würde das denn machen?“ Trotzdem erfährt sie dafür keine gesellschaftliche Anerkennung. Mit Gewerkschaften hat sie schlechte Erfahrungen gemacht. Doch als die Montagsdemonstrationen beginnen, macht sie mit, nimmt ihr Kind mit auf die Demo. Nach dem Abebben der Demos engagiert sie sich in einer Anti-Hartz-Initiative, auf die eine Freundin sie aufmerksam gemacht hat. Dort beraten Betroffene mit Unterstützung von Rechtsanwälten andere Betroffene welche Rechte man eigentlich hat, wo die Grenzen der Zumutungen eigentlich liegen, die von Seiten der Arbeitsverwaltung gesetzlich noch zulässig sind, wie man einen Widerspruch formuliert oder eine Klageschrift aufsetzt. Tatsächlich erleben die Sozialgerichte seit Einführung der Hartz-Reformen eine Flut von Klagen, die sie kaum noch bewältigen: nahezu die Hälfte davon wird zugunsten der Betroffenen entschieden, insofern bieten die Sozialgerichte noch einen gewissen Schutz gegen die schlimmsten Entrechtlichungen. Gemeinsam mit anderen sucht sie also nach Orientierungen in den sich wandelnden Verhältnissen. „Wenn die uns immer mehr unsere Rechte nehmen oder umdefinieren, so dass sie kaum noch wieder zu erkennen sind, dann müssen wir sie eben verteidigen, aber nicht nur individuell.“ Zu diesem Zweck werden auch mit anderen Gruppen zusammen Blockaden oder andere Aufsehen-erregende Aktionen vor einem Job-Center durchgeführt, ziviler Ungehorsam betrieben – „das sind Erfahrungen, da entstehen Gefühle, die verbinden und eine ein bisschen von der Ohnmacht und Wut befreien“. Gefordert werden gleich eine ganze Reihe von Rechten: Schluss mit der Willkür der Verwaltung, ein armutsfestes Existenzminimum, ein Recht statt die Pflicht zur Arbeit, außerdem die Einführung von Mindestlöhnen, von denen man auch leben kann, oder besser noch ein bedingungsloses Grundeinkommen. Bei Mindestlohn und rechtlicher Unterstützung hat sie die Vorteile einer unterstützenden Gewerkschaft zu schätzen gelernt, was Aktionen und die Forderung nach Grundeinkommen angeht, gebe es aber noch Verständnisschwierigkeiten. Bei der ›großen Politik‹ sei nichts zu holen, „aber in der Bevölkerung spürt man doch ein Umdenken und große Akzeptanz für unsere Forderungen, da bewegt sich was“, hofft Christina.
Emilia hat bei einem Seminar einer feministischen Unternehmensberatung andere Frauen kennen gelernt, denen es ähnlich geht. Sie treffen sich nun mindestens einmal im Monat um Erfahrungen auszutauschen, über das Vorgehen bei Arbeitsstreitigkeiten, oder privates Zeitmanagement, auch um vorsichtig Kontakte zu nutzen, sich gegenseitig Aufträge zu zuschanzen. Eine von ihnen hat Kontakt zu einem anderen Frauennetzwerk, dass mit NIDIL (Neue Identität der Arbeit), einer 1998 gegründeten Gewerkschaft von und für Prekäre, eng zusammenarbeitet. NIDIL gehört zum kommunistischen Gewerkschaftsdachverband CGIL und kommt aus der Selbstorganisation und Vernetzung der Neuen Selbständigen und versucht die verbreitet individualistische Orientierung zu überwinden, eine gemeinschaftliche Kultur der Kooperation zu entwickeln, um die Bedingungen der Einzelnen zu verbessern, ohne den Wunsch nach weitgehender Selbstbestimmung über die eigene Arbeits- und Lebensweise zu unterminieren. Die NIDIL bietet dabei Zugang zu rechtlicher Unterstützung, zu finanzieller Unterstützung durch günstige Kreditprogramme und Bankenkooperation sowie Übernahme der Bürgschaften, Zugang zu bezahlbaren Sozialversicherungen durch Auflage spezieller Policen in Zusammenarbeit mit Versicherung, sowie allgemeine Beratung etwa bei der Erstellung von Business-Plänen, oder das Angebot von Weiterbildung. Zugleich wird die Einbeziehung der Solo-Selbständigen in die Sozialversicherungen und das Tarif- und Arbeitsrecht gefordert. Die NIDIL will auf diese Weise, „gleichermaßen Dienstleitungen bieten als auch Klassenorganisation für atypische ArbeiterInnen sein“ (Choi 2004, 432). Emilia findet das attraktiv: „Ich bin hier keinem Apparat untergeordnet, meine Individualität wird respektiert, aber es gibt hier einen kollektiven Raum für gemeinsame Interessen und Kontakte.“ Auch ihr politisches Interesse aus der Jugend ist wieder erwacht. Politik und Protest entwickelt neue Formen, „nicht so verstaubt“ – man versteht sich als Teil der globalisierungskritischen Bewegung und macht mit beim Euromayday, den bunten 1.Mai-Paraden gegen Prekarisierung, die in Mailand mehr Menschen anziehen, als die offiziellen Gewerkschaftsdemonstrationen. Als Teil der großen Gewerkschaft „grenzen wir uns aber auch nicht von den anderen ab – wir sind alle LohnarbeiterInnen und streiten für unsere Rechte“ (vgl. Candeias 2008).
Als in den Banlieus 2005 Aufstände ausbrechen und Autos brennen, ist auch Ibrahim auf der Straße. Er sieht zu, bleibt auf Abstand mit einer Mischung aus Angst und Freude: „der ganze Frust kam raus, endlich mal zeigen, dass man mit uns nicht immer so umgehen kann, das hier was nicht richtig läuft. Aber irgendwie bringt das auch nichts, denn dann kommen wieder die Bullen und schlagen noch härter zu“. Seine Freundin, die ein Bisschen bei den Sans Papier mitmacht, brachte ihn auf die Idee sich zu engagieren. Mit seinen 25 Jahren, „bin ich ja schon etwas älter und klarer im Kopf“. Er ging zum Movement de l’Immigration et des Banlieues (MIB), das durch die Aufstände erhöhte Aufmerksamkeit und regen Zulauf erhielt. Anknüpfungspunkte der Organisierung war die gemeinsame Erfahrung als Teil der egalitären französischen Tradition angerufen zu werden und alltäglich das Gegenteil zu erfahren, sowie das grundsätzliche Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen, konkret: die wiederholten, von der Polizei verschuldeten Tötungen mehrerer Jugendlicher, deren offizielle Darstellung von der MIB zurück gewiesen wurde (vgl. Jobard 2004). Gemeinsam wurden Demonstrationen und Blockaden von Autobahnen und Gemeinderatssitzungen organisiert, um die Öffentlichkeit für eine unabhängige Untersuchung und Aufklärung der Vorfälle zu gewinnen. Darüber hinaus werden die in den improvisierten Sozialen Zentren stattfindenden Diskussionen genutzt, um die Debatte über polizeiliche Gewalt auf die eigene Gewalt untereinander, auf das verbreitete Misstrauen im Viertel zu lenken, auf den Machismo, Ursachen zu benennen, eigene Alltagspraxen in Frage zu stellen, individuelle Lösungsversuche in kollektive Bahnen zu lenken und langfristige Politisierungsprozesse anzustoßen. Der Versuch zielt darauf, Banlieues als öffentliche Räume zu konstituieren statt die ideologische Konstitution sozialer Brennpunkte zu übernehmen. Über die Bewohner der Banlieues hinaus wird die Realisierung des Egalitarismus eingeklagt, im Sinne einer Umdeutung dieses Grundpfeilers der französischen Republik, als Entideologisierung und Aneignung von ›unten‹: „schließlich sind wir Franzosen und haben die selben Rechte, wie die anderen, sollen sie doch mal ernst machen mit ihrer Égalité“. Die Gewalt wird dabei nicht grundsätzlich abgelehnt als Mittel zur Sichtbarmachung einer entnannten Differenz, von der aus sich überhaupt die universalistische Forderung aufstellen lässt. Doch das ist innerhalb der Bewegung umstritten, schließlich zeigt die Gewalt widersprüchliche Effekte, denn durch die Form ihrer Darstellung in den Medien wird die Organisierung unsichtbar und stattdessen das Bild der unzugänglichen ›Brennpunkte‹ verfestigt. „Aber ohne die brennenden Autos hätte uns wahrscheinlich keiner beachtet“, meint Ibrahim (vgl. Candeias 2006). Im Juni 2007 organisierte man in Saint Denis gemeinsam das ›post-rassische‹ Forum Social des Quartier Populaires um gruppenübergreifend soziale und politische Positionen zu entwickeln.
Bobby und seine Kollegen wussten, dass sie auf rein betrieblicher Ebene nichts ausrichten konnten, den Konflikt „auf die Tarifebene heben mussten“, um ihr Recht in Anspruch zu nehmen, sich gegen die Verlagerungsdrohung zu wehren. Das können wir nicht alleine, dazu brauchen wir auch die Gewerkschaft und vor allem eine kampfbereite Belegschaft. Die Einsicht erforderte auch Veränderung der Identität der Betriebsräte: „Unsere frühere Rolle als zentraler Entscheider und Verhandlungsführer [über Sozialpläne] mussten wir ablegen, die Entscheidungen traf die Belegschaft, Verhandlungen führte die Tarifkommission mit unserem Gewerkschaftsbevollmächtigten an der Spitze“. Auf der anderen Seite kommt ihnen die nicht minder schwierige Aufgabe der Aktivierung der Beschäftigten und der „Moderation im Prozess der Beteiligung“ zu. Ohne Diskussion und Entscheidung der Beschäftigten sollte nichts geschehen. Eine Tarifforderung oder ein Streik, die direkt gegen eine Betriebsschließung oder Verlagerungsentscheidung gerichtet sind, wären rechtswidrig, weil sie in verfassungsrechtliche garantierte Unternehmensautonomie eingreifen, sagt die Rechtsprechung. Die Frage der Durchführung der ›Betriebsänderung‹ (inklusive des Zeitpunktes einer Schließung) ist aber tariflich regelbar und erstreikbar. Gemeinsam mit den Beschäftigten wurden daher die Risiken diskutiert und ein Forderungskatalog entwickelt. Das produzierte eine Aufbruchstimmung: „Die Leute empfanden, dass sie endlich mal gefragt wurden.“ In wenigen Wochen hatte die Belegschaft sich organisiert. Der Organisationsgrad konnte von 28 auf 67 % erhöht werden. Gefordert wurde eine drastische Verlängerung der Kündigungsfristen (um damit den Zeitpunkt der Schließung deutlich hinaus zu zögern), die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen nach Entlassung unter Fortzahlung der Vergütung für zwei volle Jahre, sowie Abfindungen in Höhe von zwei bis drei Monatsentgelten pro Beschäftigungsjahr. Das Unternehmen und der Arbeitgeberverband lehnten Tarifverhandlungen jedoch ab. Zur Erzwingung von Verhandlungen stimmten 99% der Beschäftigten für einen Streik, der sechs Wochen dauern sollte. Das hatte „Ausstrahlungseffekte“: mehr als 7000 Kollegen anderer Betriebe, unterstützt von sozialen Bewegungen und Kirchen, gingen mit auf die Strasse oder vors Tor des Betriebs- eine richtige lokale Arbeiterbewegung. Aus den Aktionen sei ein spontanes Solidaritätsgefühl erwachsen, ausgelöst durch den betrieblichen Impuls „sich den Unternehmerentscheidungen nicht einfach so fügen“, auch mal „aufmüpfig“ zu sein und „sich zu wehren“. Man einigte sich noch vor Entscheidung der Richter über die Zulässigkeit der gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen. „Finanziell hat der Streik im Volumen des ausgehandelten Ergebnisses noch einige Millionen gebracht und das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt.“ Der Ansatz der Beteiligungsorientierung in Verbindung mit Initiierung von betrieblichen Tarifbewegungen erwies sich als effektiv, um aus der gewerkschaftspolitischen Defensive heraus zu gelangen und offensiv hart erkämpften Errungenschaften der Arbeiterbewegung zu reklamieren – „wir haben uns gemeinsam von diesem Ohnmachtsgefühl befreit… das bleibt, das sieht man bei folgenden Auseinandersetzungen“ (ausführlich Candeias/Röttger 2007).
Sicherlich: der dominante Trend ist jener der gesellschaftlichen Desintegration, Spaltungen und individualisierter neoliberaler Reintegration. Wird jedoch die Analyse des hier angedeuteten Subtrends vernachlässigt, werden mögliche Ansätze individueller und kollektiver Bearbeitung von Widersprüchen und zur Entwicklung erweiterter Handlungsfähigkeit blockiert. Ein Blick auf die Vielfältigkeit des Umgangs mit Prekarisierungserfahrungen sowie erfolgreicher Organisierung in den unterschiedlichsten Bereichen des Prekariats schärft den Blick für die Möglichkeiten einer (Selbst)Organisierung der ›Unorganisierbaren‹.
Fußnote
[1] Der Sinn einer Polarisierung von Einkommen ist, einen funktionierenden Markt für Dienstleistungen hervorbringen, auf dem ein billiges Angebot ungesicherter Arbeitskräfte auf eine kaufkräftige Nachfrage der ›Arbeitskraftunternehmer‹ trifft. Solche Strategien sollen zugleich effektiv die Massenarbeitslosigkeit bekämpfen und kombinieren die Steigerung relativen Mehrwerts, also Steigerung der Produktivität bei den Hochqualifizierten, mit der verstärkten Auspressung absoluten Mehrwerts, also Senkung der Löhne der weniger Qualifizierten.
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