12. Juli 2010 | Druckansicht

Themenblock: »Bildung«

Referent_in: Lorenz Huck

Tag: Samstag, 28.8.2010

Beginn: 14:30 Uhr

Dauer: 2 Std.

Raum: L 113

Subjektwissenschaftliche Forschung mit „Intensivtäter/innen“ — Anspruch und Probleme

Seit mehr als 30 Jahren wird in Deutschland eine kleine Gruppe registrierter Straftäter/innen als „Intensivtäter“ gesondert bezeichnet und behandelt. Die Etikettierung rechtfertigt es, gegen die Betroffenen mit der vollen Härte des Gesetzes vorzugehen: dabei wird z.T. geltendes Recht gebeugt, in jedem Fall werden die Betroffenen nachhaltig stigmatisiert.

In Berlin erfasst die Klassifizierung meist junge Männer mit Migrationshintergrund, die aus dem Bildungssystem herausgefallen sind, kaum berufliche Perspektiven haben und ohne größere Planung oder Organisation Eigentums- und Gewaltdelikte begehen. Mittlerweile ist der Begriff „Intensivtäter“ in die Alltagssprache eingegangen und wird als Reizwort in der Boulevardpresse verwendet, um Ängste der Bevölkerung aufzugreifen und weiter zu schüren.

In seiner 2009 erschienenen Dissertation „Jugendliche Intensivtäter/innen“ stellt sich Lorenz Huck gegen die Tendenz, strafrechtlich auffällige Jugendliche nur unter dem Aspekt zu betrachten, dass sie anderen Schaden zufügen und daher einzuschränken sind. Stattdessen versucht er, gestützt auf Interviews mit jugendlichen Gefängnissinsassen, deren Perspektive auf ihre Situation einzubeziehen und damit die Einseitigkeit personalisierender und individualisierender Deutungen aufzuzeigen.

Im Workshop soll mit Hilfe des kritisch-psychologischen Begriffspaars „restriktive/verallgemeinerte Handlungsfähigkeit“ beleuchtet werden, welche Funktion kriminelle Handlungen für die Betroffenen haben. Exemplarisch wird eine Theorie des kriminologischen Mainstreams (Merton 1968/1938) begründungstheoretisch reinterpretiert. Schließlich werden Probleme bei der Umsetzung des Anspruchs subjektwissenschaftlicher Forschung thematisiert, andere Menschen nicht als Gegenstand der Forschung zu betrachten, sondern zu Mitforscher/innen zu qualifizieren.

Huck, L. (2009). Jugendliche Intensivtäter/innen – kriminelle Karrieren und Präventionsmöglichkeiten aus Sicht der betroffenen Subjekte. Hamburg: Argument.

Merton, R.K. (1968/1938). Sozialstruktur und Anomie. In Fr. Sack (Hg.) Kriminalsoziologie. Frankfurt/M.: Akademische Verlagsgesellschaft, 283-313